RZ-Sommerredaktion: Mittelstrimmig geht eigene Wege

Breitband, Windkraft, Grundsteuer - Hunsrückort im Clinch mit der VG

Am Gemeinde­haus in Mittelstrimmig hängt ein Artikel, eingepackt in eine Schutzfolie. „Schnelles Internet ade?“ ist die Überschrift. Der Bericht be­schreibt, wie die Verhandlungen zwischen der Hunsrückgemeinde Hundheim und der Firma Inexio, die Cochem-Zell bis Ende nächsten Jahres ein Breitbandnetz in jeder Gemeinde bescheren soll, platzen. Der Aushang zeigt: Mittelstrimmig will eigene Wege gehen und sieht die Plane von VG und Kreis skep­tisch. Nicht nur in Sachen Breitband haben die Hunsrücker eigene Vor­stellungen, auch die Grundsteuer B soll die Bürger nicht mehr belasten, und Einnahmen aus der Windkraft werden in einem eigenen Solidarpakt am Ort verteilt Die RZ hat nachgeiragt, warum Mittelstrimmig einen Sonderweg beschreitet.

Senkung der Grundsteuer B

Der Gemeinderat hatte im März beschlossen, den Hebesatz der Grundsteuer B auf 0 Prozent zu senken, um die Bürger zu entlasten - der Beschluss musste allerdings im Mai wieder aufgehoben werden, da er aus Sicht der VG gegen die Ge­meindeordnung verstößt. Bereits hier gehen die Einschätzungen von Lothar Jakobs und der VG ausei­nander. „Wir haben das Geld, wa­rum sollen wir es nicht an unsere Bürger weitergeben?", fragt der Ortsbürgermeister von Mittelstrim­mig. Richtig ist: Die Gemeinde hat, im Gegensatz zu vielen anderen Orten im Kreis, keine Schulden. Gut 830 000 Euro liquide Mittel lagen Ende vergangenen Jahres in der VG-Kasse. Allerdings werden diese bei aktu­eller Haushaltsplanung bis zum Ende des Jah­res auf etwa 510 000 Euro sinken. „Die Ge­meinde lebt von ihrer Substanz", sagt die VG Zell. Auch in den kom­menden Jahren wird der Finanzhaushalt ei­nen Fehlbetrag auf­weisen. Viel Geld hat Mittelstrimmig mit dem Verkauf von Holz verdient, nachdem der Orkan „Xynthia“ ge­wütet hatte - etwa 1,5 Millionen Euro (30 000 Festmeter zu 50 Euro). „Wir haben den Wald aufgeforstet, er ist unsere Lebensader“, sagt Ja­kobs. „Wir setzen auf unser eigenes Geld und unsere eigene Arbeits­kraft. Die Grundsteuer kann wieder angehoben werden, wenn sich die Situation ändert."

Mittelstrimmig ist der einzige Ort im Kreis, der bisher dem Konzept der Breitbandinfrastruktur­gesellschaft (BIG) nicht zugestimmt hat. Bis En­de 2013 sollen alle Ge­meinden an ein moder­nes Glasfasernetz ange­schlossen sein. „ Das dauert uns zu lange“, sagte der Ortsbürgermeister vor mehr als ei­nem Jahr. Der Gemeinderat be­schloss, eine eigene Lösung zu fin­den. Tatsächlich hat sich Mittel­strimmig bereits 1998 mit dem The­ma auseinandergesetzt. Vor 14 Jahren wollte die Telekom 200 000 Euro für den Anschluss des Dorfes ans Netz, heute sind es 400 000 Eu­ro. Der Versuch, sich einen Zugang über die Gemeinde Mastershausen zu verschaffen, scheiterte. Doch die Lösung des Kreises gefällt den Hunsrückern nicht. „Die 20 Millio­nen Euro müssen ja wieder erwirt­schaftet werden", sagt Jakobs und verweist auf die LTE-Lösung, die es in Mittelstrimmig bereits gibt. „Wir sind vielleicht nicht pflegeleicht. Das sollte man, zum Wohle der Bürger, auch nicht sein.“ Eine endgül­tige Entscheidung steht noch aus. Für Gemeinderatsmitglied Rainer Angsten ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar. „Man kann die Probleme nicht weglächeln. Die Leitung für Altstrimmig geht über die Strimmiger Gemarkung, und eine Anbindung würde uns nichts kosten."

Gewinn soll im Hunsrück bleiben

Auch bei den erneuerbaren Ener­gien will sich die Hunsrückge­meinde nicht einnehmen lassen. Die Solidargemeinschaft mit Altstrim­mig, Forst, Liesenich und Sosberg steht, die entsprechenden Windrä­der allerdings noch nicht. „Wir ha­ben bereits Verträge geschlossen: Nun fehlt uns noch ein Natur­schutzgutachten, wir haben den Schwarzstorch.“ Bis zu 20 Anlagen könnten gebaut werden, die Ein­nahmen sollen größtenteils in den Gemeinden bleiben. „Wir sind unabhängig. Die VG soll uns unter­stützen“, sagt Lothar Jakobs.

 

„Man verliert nichts, wenn man etwas be­dächtiger vor­geht. Die Ent­scheidungsfrei­heit haben wir.“

Ortsbürgermeister Jakobs zur BIG-Entscheidung

Redakteur Kevin Rühle, Rhein-Zeitung Nr. 255 26.9.2012

Solaranlage Mittelstrimmig. Photo: Ulrike Platten-Wirtz